Orbàn läßt sich von den Eurokraten nicht beirren

In seiner Eröffnungsrede vor dem Europäischen Parlament am 9.10. hob Viktor Orbán die Wettbewerbsfähigkeit als zentrales Thema der ungarischen Ratspräsidentschaft hervor und nannte die Energiepreise als zentrales Hindernis. „Infolge der Abkehr von russischen Energiequellen hat die EU erheblich an BIP-Wachstum verloren. Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, daß der grüne Übergang an sich eine Lösung für das Problem darstellt.“ Die Dekarbonisierung resultiere in einer Verlangsamung der Produktivität und dem Verlust von Arbeitsplätzen.

In der anschließenden Debatte griff dann Ursula von der Leyen Ungarns Rußlandpolitik an und verglich die Ukrainer mit dem ungarischen Aufstand gegen die sowjetische Besatzung 1956. Sie bedauerte, daß „ein Mitgliedstaat im besonderen“ immer noch fossile Brennstoffe von Rußland kaufen wolle, obwohl sich die EU zur Energieunabhängigkeit verpflichtet habe. Und wie üblich kritisierte sie Ungarns Migrations- und Asylpolitik.

Auf die EU-Präsidentin folgte Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei (EVP) mit einer langen Tirade gegen den ungarischen Ministerpräsidenten. Er warf ihm vor, die Ukraine nicht zu erwähnen, weil er „mit dem Aggressor kollaboriert“. Danach sprach Iratxe Garcia Pérez für die zweitgrößte Fraktion, die Sozialisten, und warf Orbàn u.a. vor, „von Milliarden Euro europäischer Gelder zu profitieren, die Sie an einen Hof korrupter Oligarchen weiterleiten“. Ähnliche Anschuldigungen erhoben auch die Vorsitzenden anderer Fraktionen, außer den Konservativen und Orbàns eigener Fraktion Patrioten für Europa.

Orbán antwortete mit einer langen Rede, worin er von der Leyen vorwarf, falsche Behauptungen aufzustellen und für eine gescheiterte Politik verantwortlich zu sein. Sie überschreite die Grenzen, die der Europäische Vertrag der Kommission als neutraler „Hüterin der Verträge“ zuschreibt, und mache aus der „Hüterin der Verträge eine politische Waffe“. Der Vergleich zwischen Ungarn 1956 und der heutigen Ukraine sei „falsch und eine Schändung des Andenkens an die ungarischen Freiheitskämpfer“.

An Weber gewandt, sagte er:

„Ich habe die Ukraine im Zusammenhang mit der Präsidentschaft bewußt gemieden, aber wenn Sie darüber sprechen wollen, dann lassen Sie uns darüber sprechen.

Wie die angelsächsische Presse sagt: Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir zuerst den Mut haben, zuzugeben, daß wir verlieren. Denn es ist eine Tatsache, daß wir an der ukrainischen Front verlieren. Und Sie tun hier so, als ob wir das nicht täten. Tatsache ist, daß die Europäische Union, auch wegen der Kommissionspräsidentin, leichtsinnig, auf der Grundlage von Fehleinschätzungen und mit einer fehlerhaften Strategie in diesen Krieg eingetreten ist. Wenn wir gewinnen wollen, muß diese Verliererstrategie geändert werden. Es ist eine schlecht geplante und schlecht ausgeführte Strategie. Wenn wir diesen Weg weitergehen, werden wir verlieren. Wenn wir nicht wollen, daß die Ukraine verliert, müssen wir die Strategie ändern. Ich schlage vor, daß Sie das in Betracht ziehen.

In jedem Krieg muß es Diplomatie geben. Man braucht Kommunikation, direkte oder indirekte Kontakte. Sonst werden wir immer tiefer in den Abgrund des Krieges stürzen. Immer mehr verzweifelte Situationen werden entstehen, immer mehr Menschen werden sterben, Hunderttausende sterben in diesem Moment, Tausende sterben in der Ukraine. Mit dieser Strategie wird es keine Lösung für diesen Konflikt auf dem Schlachtfeld geben. Deshalb schlage ich vor, daß wir statt dessen für Frieden plädieren, für einen Waffenstillstand plädieren und eine andere Strategie fahren, denn das wird uns allen zum Verhängnis.“