Die wahre Bedrohung für das Dollar-System ist nicht China oder BRICS

Während die BRICS-Initiative für eine gemeinsame Handelswährung an Schwung gewinnt (vgl. SAS 25/24), werden im Westen, insbesondere in konservativen und Trump-freundlichen Netzwerken, Narrative produziert, die dies als Angriff auf den Dollar und das Dollarsystem darstellen. Angeblich zeige die vorgeschlagene Nutzung von Blockchain-Technologien, daß die BRICS ein Werkzeug der perfiden Davos-Clique seien, die das Bargeld abschaffen wolle. All das ist nicht nur falsch, es belegt auch eine massive Unkenntnis von Wirtschaft und Währung selbst auf der höchsten Ebene in Finanz- oder akademischen Kreisen.

Ein Beispiel ist Piero Cipollone vom EZB-Direktorium (der die Inflation auf den Klimawandel zurückführt, s. SAS 23/24). In einem Artikel für den EZB-Blog im Juni wirft er den BRICS vor, das Weltwährungssystem zu fragmentieren und separate Plattformen als Alternativen zu den bestehenden globalen Infrastrukturen zu schaffen. „Beispielsweise haben China, Iran und Rußland ihre eigenen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrssysteme geschaffen, und die BRICS haben angefangen, über eine ,Brückenplattform‘ für die Verknüpfung von digitalen Zahlungen und Abrechnungen zu diskutieren. Diese Entwicklungen könnten möglicherweise den reibungslosen Kapitalfluß stören und die Effizienz des globalen Finanzsystems verringern.“ (https://eir.news/2024/06/news/the-ecb-accuses-the-brics-of-fragmenting-the-system/)

Cipollone stellt die Realität auf den Kopf: Die BRICS würden nicht über „Alternativen zu den bestehenden globalen Infrastrukturen“ verhandeln, wenn die USA und die EU nicht ihre Währungen als Waffen mißbraucht hätten, indem sie russische Vermögenswerte beschlagnahmten. Die „Entdollarisierung“ ist ein defensiver Schritt, und die EZB schießt sich hier selbst ins Bein, so wie bei allen anderen Rußland-Sanktionen.

Ein weiteres Beispiel für die Psychose, daß „China den Dollar verdrängen wird“, ist der Wirtschaftspopulist Jim Rickards, der kürzlich schrieb, Amerika gerate in einen Finanzkrieg, weil die BRICS und ihre neue Währung den Dollar bedrohten. Auch wenn der Dollar die Weltreservewährung bleibe, könne die BRICS-Währung eine erfolgreiche Handelswährung werden, stellt er richtig fest und fügt hinzu: „So geht das Vertrauen in die Vereinigten Staaten verloren, erst langsam und dann plötzlich.“

Jawohl, das Vertrauen in die USA erodiert und kann plötzlich zusammenbrechen, aber nicht wegen der BRICS oder China, sondern wegen der eigenen Wirtschaftspolitik der USA, mit der Ausweitung der Spekulationswirtschaft und der Zerstörung realer Werte.

Der Vorstoß Chinas und der BRICS, der auf ihrem Treffen im Oktober auf dem Tisch liegen wird, richtet sich nicht gegen den Dollar oder gegen irgendein Land, sondern man will ein Abrechnungssystem schaffen, das einen stabilen Wert von Währungen und Rohstoffen sowie eine Ausweitung des Kredits für Handel und Investitionen ermöglicht. Ein Vorschlag betrifft dabei die Schaffung einer an einen Währungs- und Rohstoffkorb gekoppelten Rechnungseinheit sowie einer zentralen Institution, die die bilateralen Handelsströme regelt und Kredite vergibt. In dem Zusammenhang wurde angeregt, Blockchain-Technologien und eine „virtuelle“ Rechnungseinheit zu nutzen, um Transaktionen zu beschleunigen. Das ist jedoch auf Handelsströme und Investitionen beschränkt und hat nichts mit einer Abschaffung des Bargelds zu tun. Das BRICS-Währungssystem soll von den jeweiligen nationalen Spar- und Bankkontensystemen getrennt sein.

Das Narrativ gegen die BRICS und China dient also der Macht der Wall Street, die als einzige durch ein solches neues System bedroht ist. Um einen katastrophalen Vertrauensverlust in den Dollar zu verhindern, sollten die USA die Sanktionen aufheben und ihr eigenes System bereinigen, indem sie dem „Wall-Street-Dollar“ ein Ende setzen und das Glass-Steagall-Trennbankensystem wieder einführen.

Print Friendly, PDF & Email